"Ein andalusischer Hund" ("Un chien andalou") von Luis Bunuel und Salvador Dalí (F/1928) s/w 15 Min.
Der wohl berühmteste Prolog der Filmgeschchte: Ein Mann (Bunuel) schärft des Nachts sein Rasiermesser. Er betrachtet durch die Fensterscheiben den Himmel und sieht... Eine leichte Wolke, die sich dem vollen Mond nähert. Dann der Kopf eines Mädchens mit weitaufgerissenen Augen. Eine Rasierklinge bewegt sich auf eines dieser Augen zu. Die leichte Wolke zieht jetzt am Mond vorüber. Die Rasierklinge fährt durch das Auge des Mädchens und schneidet es entzwei. Gelatine quillt aus.
Bunuels "Ein andalusischer Hund" gilt als der erste surrealistische Film, und ist der einzige Film, dessen schockierende Kraft ungeschmälert die Jahrzehnte überlebt hat. Oder ist der Skandal, den der Prolog, den der ganze Film meinte und der in ihm angelegt war, heute konsumierbar geworden, überboten von den Grausamkeiten, die uns dieses Jahrhundert bescherte, vergleichsweise harmlos gemacht, zu obskuren Einfällen, die von einer ungleich disharmonischeren Wirklichkeit längst überholt wurden?
Bunuel und Dalí erarbeiteten innerhalb einer Woche das Drehbuch, "nach einer sehr einfachen Regel", 22 Traumsequenzen ohne erkennbaren Handlungsverlauf zu verarbeiten. Dennoch musste der Film über die Jahrzehnte unendlich viele Interpretationsversuche über sich ergehen lassen. Im Kontext der zwanziger Jahre war es für Dalí jedoch nur eine Serie surrealer "Gags", "die an einem einzigen Abend zehn Jahre pseudointellektueller Vorkriegs-Avantgarde ruinierten".
So ist "Ein andalusischer Hund" heute in erster Linie das Dokument einer historischen Revolte der Kunst gegen die Kunst.